Sand im Getriebe

BEWEGUNG 2.0: MANAGER AND FOLLOWER

Ende Gelände kopiert: Kampagnen aus der Retorte


1. Sei Rädchen im Protest - Einblicke in moderne Bewegungshierarchien
2. Simulation von Protest: Klicken und spenden
3. Bewegungsagenturen: Campact, .ausgestrahlt & Co.
4. Ende Gelände: Von der Bündnisaktion zum Hegemon der Klimabewegung
5. Ende Gelände kopiert: Kampagnen aus der Retorte
6. Der Wellenreiter: XR (Extinction Rebellion)
7. Fridays for Future - entstanden von unten, übernommen von oben?
8. Weitere Beispiele
9. Dienstleister: Firmen machen Verbände
10. Links

Dies ist die Eingangsseite zur Kritik an den Organisierungsformen der überregionalen Kampagnen und Bewegungsagenturen (Kurzlink: www.sand-im-getriebe.siehe.website, ehemals "www.sand-im-getriebe.tk"). Die Abschnitte dieses Textes sind über die Links direkt über dem Text, weitere Seiten zu großen Playern wie Campact, Ende Gelände oder Interventionistische Linke sind über das Menü oben unter Organisierung --> Moderne Hierarchien zu erreichen. ++ Gesamtübersicht "Organisierung"

Es ist "in": EInfach mal eine große Kampagne knallen, am besten weltweit. Inhalte - PR-orientiert verkürzt. Organisierung von unten? Fehlanzeige.
Mitunter wirkt es so, als hätte das Buch "Die Welle" hier Pate gestanden. Denn statt einem Aufbau handlungsfähiger Zusammenhänge von unten geht es um Massenmobilisierung um jeden Preis. Dafür werden die Angebote so optimiert, dass Mitmachen leicht fällt:
  • Einfache Slogans
  • Suggestion von groß, wirkungsvoll, erfolgreich, sexy
  • Verzicht auf Debatten - stattdessen lieber mehr harmonisiertes "Wir"-Gefühl
  • Vorbereitung der Aktion in intransparenten Zirkeln mit starker Dominanz von Hauptamtlichen, die oft zudem von außen stammen (Parteien, Parteistiftungen, NGOs, Bewegungsagenturen
  • Ausgrenzung aller, die unangenehme Fragen stellen


Der Ursprung dieser Retorten-Bewegungen: Ende Gelände
Die Massenaktion "Ende Gelände" 2015 schuf eine neue Lage. Viele Akteure begriffen, dass Mobilisierung nach dem Vorbild des Buches "Die Welle" möglich waren. Erstmals seit langer Zeit schienen willige Menschenmassen verfügbar, die sich nach großen Gemeinschaftsaktionen mit hoher Präsenz in klassischen Medien und im Internet sehnten. Eine eigene Beteiligung und Mitsprache war kaum gewünscht - das Zeitalter der Retorten-Bewegungen begann. Als ersten kaperten einige zentral organisierte Gruppen zusammen mit hinzustoßenden Unterstützer*innen den polulär gewordenen Begriff "Ende Gelände" und schufen daraus einen Verband mit zentraler Steuerung. Parteistiftungen und linksautoritäre Strömungen bildeten die Steuerungsgruppe, die fortan mit - durchaus offensiven und gut überlegten - Großaktionen die Szene der Klimaaktion aufmischte und weitgehend übernahm. Der Erfolg dieser Strategie führt schließlich ab 2018 zu weiteren Retorten-Gründungen, die alle nach dem gleichen Schema funktionieren: Eine kleine Gruppe legte sich auf ein Thema fest, wählte ein Einzelevent (Konzernsitz, Messe ...) für eine einzelne Großaktion aus und begann dann mit der Massenmobilisierung. Die zu mobilisierenden Massen wurden dabei wie Setzfiguren behandelt. Die Vorbereitungsprotokolle weisen dieses Verständnis seitens der Organisator*innen auch deutlich aus. Die Mobilisierung erfolgte bewusst mit falschen Versprechungen und rein aus PR-Gründen gezeigter Rebellion, während tatsächlich sehr harmlose Massenevents geplant wurden. Im Mittelpunkt stand die Präsentation des eigenen Labels. Wissenvermittlung diente allein dem perfekten Funktionieren der Massen in den vorgesehen Aktionen. So entstanden die Mobilitätskampagne "Sand im Getriebe", die Aktion "Free the soil" und einige mehr, die unterschiedlich erfolgreich jeweils versuchten, Großevents mit gesteuerten Massen zu organisieren.

Sand im Getriebe

Die erfolgreichste Kampagne richtete sich an die Frankfurter Automesse IAA. Die hohe Präsenz der Aktion in der Öffentlichkeit dürfte zwei Gründe haben. Zum einen entwickelte sich das Thema "Verkehrswende" ohnehin in den Jahren 2018 und 2019 zum wichtigsten Teil innerhalb der Klimadebatte, was nicht nur "Sand im Getriebe" verursacht wurde, sondern diesem Einzelevents den Boden bereitete. Zum anderen hatten sich hier etliche Apparatschiks mit viel Organisations-Knowhow aus leistungsstarken Playern zusammengefunden, so dass große Verteiler, materielle Ressourcen und die Integration in die Seilschaften der Medienlandschaft vorhanden waren.

Der Ausgangspunkt: Wir brauchen ein neues Thema
Ehemalige NGO- und Ende-Gelände-Funktionär*innen, die jetzt hauptamtlich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeiteten, entwickelten 2018 den Plan, sich auszudehnen. Dabei spielten die Chancen auf Hegemonie und Propagandaerfolge die zentrale Rolle. Alles sollte einfach und schnell erfolgreich sein.

Aus dem Protokoll der RLS-gesteuerten Anti-IAA-Kampagne am 2.2.2019 in Frankfurt
Diskussion: ...
teilen die Analyse, dass die Klimabewegung ein zweites Standbein neben der Kohle braucht ...
Lasst uns das einfachste Ziel nehmen, was die einfachste Integration hat, was die einfachste Story hergibt ...
SUVs sind die neue Braunkohle ...

Damit schieden Themen aus, bei denen die Eliten selbst Aufbauarbeit leisten müssten. Deutlich erkennbar ist in den Formulierungen der Wunsch, einfach und schnell zum Erfolg zu kommen. Es musste also ein Thema sein, dessen Boden andere schon vorbereitet hatten oder welches aus anderen Gründen im Fokus stand. Die Wahl fiel auf Mobilität - fraglos ein Thema, welches durch Konzernskandale und Aktivitäten vieler Basisgruppen und NGOs bereits wichtig war. Es galt nun, das zu übernehmen.
Den ersten praktischen Versuch startete Ende Gelände München mit überregionaler Unterstützung auf dem Klimacamp im September 2018. Das stand unter dem Schwerpunkt "Mobilität" und sollte am Samstag in eine großspurig als Blockadeaktion in München angekündigte Aktion münden. Vorab war suggeriert worden, die ganze Stadt würde lahmgelegt. Tatsächlich war es am Ende eine peacige, sich selbst abfeiernde, weitgehend wirkungslose und unsichtbare Sitzblockade in einer einzigen, nicht besonders wichtigen Straße ohne Fußgänger*innen. Obwohl auch andere Gruppen beteiiligt waren, hieß die Aktion "Ende Geländewagen". SUV waren gar nicht das Ziel, sondern Werbung für die eigene Organisationen. Das stand ganz offen in einem Protokoll.

Vorspiel in München
Für September 2018 luden verschiedene Gruppen, vor allem die ziemlich große Lokalgruppe Ende Gelände in München zu einem Klimacamp mit Schwerpunkt "Mobilität" nach München ein. Auf dem Nulltarifsratschlag im April 2018 einigten sich die Teilnehmenden, dort gerne das nächste bundesweite Vernetzungstreffen stattfinden zu lassen. Die Idee wurde an die Programmgruppe des Kimacamps herangetragen und dort akzeptiert. So stand für den abschließenden Sonntag ganz offiziell ein bundesweites Vernetzungstreffen zu Verkehrsaktionen im Programm des Klimacamps - und das war durch den Nulltarifsratschlag sogar ganz korrekt mandatiert. Doch die Eliten überlegten es sich anders ...

Das Klimacamp selbst war ziemlich verregelt. Neben dem offiziellen Programm mit etlichen großen Workshopzelten stand ein kleiner Pavillon auf der Veranstaltungswiese, dekoriert mit einem Schild "Open Space". Eigene Ideen der Teilnehmenden waren also eher nicht gefragt.

Am Samstag gab es eine gemeinsame Aktion. Grooßspurig wurden flächendeckende Verkehrsbehinderungen angekündigt.


Einer der verteilten Mobilisierungsflyer in München

Doch tatsächlich war nie so etwas geplant. Es ging um ein paar schöne Bilder, die in den sozialen Medien gezeigt werden könnten. Vor allem aber ging es um das eigene Label. Die Aktion, obwohl in keinem Aspekt der Aktion speziell gegen SUVs gerichtet, hieß "Ende Geländewagen". Die Organisator*innen gaben offen zu, dass es nur um Eigenwerbung ging. Die Menschen, die auf dem Camp waren und die Aktion durchführen, wurden für diesen Zweck benutzt - und darüber nicht informiert.

Aus dem Protokoll der RLS-gesteuerten Anti-IAA-Kampagne am 2.2.2019 in Frankfurt
Erfahrungen aus München: der Name war gar nicht als Fokus auf SUVs gewählt (sondern famegrabbing von EG ;)), (Tippfehler im Original)

Das am Tag nach der Aktion stattfindende Vernetzungstreffen wurde torpediert. Die Organisator*innen informeirten Camp-Teilnehmende in direkten Gesprächen, dass das Treffen so nciht stattfinden würde und es deshalb ein anderes, im offiziellen Programm nicht benanntes Treffen geben würde. Das Ergebnis war beeindruckend: Nur eine Person kam vom Camp zum Vernetzungstreffen, der Rest war extra angereist. Auch ein Drahtzieher des Nulltarif-Ratschlags aus Kassel verließ das Camp vorher - und stellte ein Jahr später auf dem Folge-Nulltarifsratschlag in Frage, dass es den Beschluss zum Vernetzungstreffen überhaupt gab. In jedem Fall passierte das Bemerkenswerte: Zwecks Sicherung eigener Hegemonie wurde bewusst gegen die Selbstorganisierung von Verkehrswende-Basisinitiativen gehandelt. Die Apparate führen selbst Schwächung von Bewegung herbei, um dominieren zu können.

Mit der größeren Kampagne zu IAA, später "Sand im Getriebe" genannt, wurde das ein Jahr später noch deutlicher ...

Hierarchie und Zensur
Wer alle Zügel bei der IAA-Aktion in der Hand halten sollte, war von Beginn an klar. Die Idee kam aus der RLS und den dortigen in Bewegungsführung geübten Janna Aljets (trat später auch als Tina Velo auf) und Tadzio Müller. Dennoch wurde so getan, als wäre diese Frage offen.

Aus dem Protokoll der RLS-gesteuerten Anti-IAA-Kampagne am 2.2.2019 in Frankfurt
Es bräuchte einen Träger: kann die RLS helfen? LINKE Hessen? ...
Wer könnte eingeladen werden? Winnie Wolf; Andreas Knie; Sabine Leidig; Bernhard Knierim

Für Dazukommende musste das wie eine nette Zufälligkeit wirken, dass da Unterstützung bereitstand und auch kompetente Referentis. Deren Einseitigkeit wurde offenbar nie thematisiert.
Nur einmal: Auf der Strategiekonferenz der Klimabewegung auf dem Klimacamp 2018 wies ein Teilnehmer darauf hin, dass sämtliche Organisationsstrukturen wie Mailinglisten, Moderation usw. in der Hand von RLS-Hauptamtlichen lagen. Das wurde - jeder geheuchelte Wertschätzungskultur zuwider und ohne Protest der Moderation - als "geistiger Dünnschiss" bezeichnet. Kurze Zeit später wurde der Kritiker auch von der Mailingliste zensiert, trotz der behaupteten Offenheit der Liste.

Aus einer Erwiderung von RLS-Janne auf der Liste:
Es gibt den autofrei-Verteiler für diese Diskussionen sowie für die Absprachen rund um Aktionen im September anlässlich der IAA. Ihr könnt euch hier eintragen: autofrei-subscribe@lists.riseup.net ...

Zensorin war RLS-Apparat Janna Aljets persönlich. Gegenüber der Gesamtgruppe wurde die Zensur verschwiegen. In einer späteren Debatte an anderer Stelle über den Rauswurf behauptete Janna zudem, dass es keinen Rauswurf gegeben hätte - eine glatte Lüge. Aber Hegemon*innen wollen halt am liebsten unentdeckt bleiben bei ihren Übergriffen.
Die Ausgrenzung war im übrigen keine einmalige Aktion. In einer früherer Veröffentlichung von ihr (damals war sie bei der BUNDjugend) musste sie mal mangels Alternative ein Buch von mir als Quelle angeben und entschuldigte sich mit einer Fußnote. Original-Zitat: "Uns ist durchaus bewusst, dass Jörg Bergstedt eine sehr umstrittene Person ist, deren Positionen wir weitgehend ablehnen." Das Zitat ist nicht nur eine Distanzierung, sondern auch inhaltlich interessant. Denn wenn der so Gescholtene bei seinen Aktionen für Fahrradstraßen, autofreie Städte, Stärkung des ÖPNV usw. eintritt, Janne Aljets aber seine Positionen weitgehend ablehnt - wofür steiht sie denn eigentlich?

Das war Herrschaft nach außen. Aber auch nach innen gab es klare Hierarchien. Ein deutliches Beispiel war die Frage nach dem Umgang mit dem Automobilkonzernen. Wenige Wochen vor den geplanten Aktionen zur IAA fasste Sand im Getriebe einen Beschluss: Keine Gespräche mit denen.

Aus der Presseinfo von "Sand im Getriebe" am 12. August 2019
„Sand im Getriebe“ zur IAA: Wir reden nicht mit Profiteuren der Klimakrise! ...
„Wir können nicht auf ein Gesprächsangebot eingehen, bei dem nicht konkret der schnelle Wandel hin zu klima- und menschenfreundlichem Verkehr im Mittelpunkt steht. Autos müssen Platz machen für Straßenbahnen, Fahrradfahrerinnen und Fußgänger in unseren Städten. Das heißt: Die Autoindustrie muss schrumpfen. Stattdessen rollen auch in diesem Jahr immer mehr SUVs vom Band. Wenn die Automobilindustrie also bereit ist, ihre Produktion von Autos auf Bahnen oder Fahrräder umzustellen, sprechen wir gerne darüber, wie eine solche Konversion sozial und ökologisch organisiert werden kann.", kommentiert Tina Velo, Pressesprecherin von "Sand im Getriebe".

Gut drei Wochen später zeigte sich, dass die Führerin der Bewegung wichtiger ist als der gemeinsame Beschluss. Die Rosa-Luxemburg-Funktionärin Janna Aljets mit vorheriger Karriere in Führungsfunktion bei BUNDjugend und Ende Gelände trat unter dem Kunstnamen Tina Velo , mit bürgerlichem Namen , aktuell Funktionärin der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Live-Online-Debatte mit VW-Chef Diess und dem Elektroauto-Fan und taz-Redakteur Kreutzfeldt an. Kurz danach saß sie nochmal mit Diess (und anderen) bei Maybritt Illner am Tisch. So erreichte sie das von Beginn an geplante Ziel, als Seiteneinsteigerin zur Ikone der von ihr selbst kreierten Verkehrswendebewegung aufzusteigen. Der von ihr selbst noch verkündete Beschluss der Bewegung war egal, als Janne Aljets selbst von den Debatten profitierte. Vieles war sinnvoll, was sie sagte, aber Hierarchien sind ja auch nicht deshalb anti-emanzipatorisch, weil sie in den Inhalten abflachen (auch wenn das meistens im Laufe der Zeit geschieht), sondern sie sind eben hierarchisch. Im September 2019 ist Janna Aljets mächtiger als der Rest, weil sie sich erfolgreich als deren Sprecherin ausgeben kann. Sie verkündet nicht die Meinung der Bewegung, sondern kreiiert diese durch ihre öffenlichen Auftritte. Nach Luisa Neubauer, die sich selbst zur Führung von FridaysForFuture erklärte, ist damit der zweite große Teil der Klimabewegung in der Hand einer einzelnen Person und ihrer Seilschaft. Per Interviews definieren beide das "wir" der von ihnen vereinnahmten Bewegungen. Gelingen konnten das beiden, weil sowohl die schon bestehenden NGOs als auch die Medien auf klare Führungspersonen stehen, denn für ihre Art von Bündnisarbeit bzw. Berichterstattung sind klare Hierarchien und Zuständigkeiten mit Durchsetzungskraft hilfreich.

Aus Tichys Einblicke (die Quelle ist nicht seriös, aber mit dieser Bemerkung findet das Huhn ein Korn)
Der Yogalehrerin Janna Aljets hat dieser „Kulturkampf“ viel Glück gebracht im Leben, denn heute ist sie als Tina Velo eine medial gehätschelte Klimaaktivistin.


Rebellion als Fake
Wie bei der Aktion "Ende Geländewagen" sollte auch für die Anti-IAA-Aktion mit rebellischen Slogans geworben werden. Gleichzeitig war klar, dass die praktische Aktion dann friedlich und ohne den Willen, eine echte Blockade zu errichten, laufen sollte. Es ging nicht um eine wirkliche Wirkung, sondern um Symbolik und Bilder.

Aus dem Protokoll des Treffens am 2.3.2019 in Frankfurt
Messe vollständig abzuriegeln ist sehr schwer; ein oder zwei Eingänge schöne Blockaden ...
eindrucksvolle Bilder, die medial relevant sind
"

Zwecks Mobilisierungserfolg sollen die eigenen Leute aber mit Behauptungen über eine volle Blockade, also mit Lügen mobilisiert werden.
ambitioniertes Ziel setzen, damit Menschen (mit)kommen -> IAA blockieren!

Tatsächlich sollte das aber, wie belegt, gar nicht passieren. Solche Kombinationen des rebellischen Scheins mit einer applaus-orientierten Wohlfühlaktion sind nicht nur bei großen Events typisch. Die Welle-Organisierung XR (siehe unten) baut komplett darauf auf. Im Namen steht "Rebellion", aber schon in den Grundsätzen findet sich die Festlegung auf "friedliche" Aktionen.

Im Vordergrund sollen dabei auch (nur?) die eigenen Labels stehen.
Fragen, ob wir Starthilfe von Ende Gelände haben können, Aktionsstrukturunterstützung / Namen benutzen? / Ende Gelände goes... Verbindung über Namen und Erzählung

In der Liste, wer noch anzusprechen ist, tauchen die vorhandenen Verkehrsinitiativen gar nicht auf. Von daher ist es kein Wunder, dass laut der Liste der Anwesenden bei den ersten Treffen kaum Basis-Aktivist*innen, sondern vor allem Leute, die Organisationen mit Namen und Labeln vertraten, teilnahmen. Es war also wie zur Zeit fast überall üblich: Es wird eine "Welle" angeschoben, kein organisierter Widerstand.
Das spiegelt sich auch in Statements anderer Organisationen wider.

Aus dem Strategiepapier von Campact Anfang März 2019 zu Mobilitätsaktionen
Aktion, aber nicht anecken wollen - zu Aktionsorten:
Die Produktionswerke der Konzerne scheiden aus, weil hier zu sehr der Konflikt mit den Belegschaften in den Fokus gerückt würde

Aus dem endgültigen Aufruftext
Unsere geplante Aktion ist ein Regelübertritt – doch hiermit kündigen wir ihn offen an. Wir stellen uns damit in die Tradition der sozialen Bewegungen, die für den Atom- und Kohleausstieg oder gegen Gentechnik kämpfen.

Das ist eine bemerkenswerte Verdrehung von Protestgeschichte. Am Hambacherforst, auf den Castorgleisen und auf den Genversuchsfeldern haben sich Menschen (zum Glück) nicht vor die Eingänge gesetzt, als alles schon gepflanzt war. Wer eine Messe blockieren will, verhindert den Aufbau. Der Vergleich mit Atom-, Kohle- und Gentechnikprotest hinkt aber auch noch aus einem anderen Grund: Der begann von unten, nicht gesteuert von Funktionär*innen und Gelder aus Parteien und NGOs.

Sich selbst zum Zentrum erklären
Die bestehenden Bewegungen und Initiativen werden missachtet, aber die neue Retortenkampagne soll das Zentrum für alle sein:
Alle sollen sich als Teil einer entstehenden Bewegung für die Verkehrswende wahrnehmen.

Aus einem Artikel in OXI und ND, verfasst von den beiden RLS-Hauptamtlichen und autofrei-Mächtigen Janne und Tadzio, verschickt auf der Klimabewegungs-Mailingliste:
Die Zeit ist also reif für eine neue soziale Bewegung gegen die Autogesellschaft. Es braucht neue Stimmen, die sich nicht nur gegen ein Symptom – Verkehrstote, Feinstaubbelastung, städtischer Flächenklau – sondern endlich gegen den Kern des Problems wenden: ein Gesellschafts-, Verkehrs- und Wirtschaftsmodell, das sich um dreckige, ressourcenfressende und viel zu oft mörderische Blechbüchsen dreht.


Antwort auf der Liste:
Bei der Formulierung "die Zeit ist reif für eine n e u e soziale Bewegung", muss ich allerdings ein bisschen an die Menschen denken, die sich bisher schon für eine Mobilitätswende und autofrei engagiert haben. Ich fänd es wichtig, dass ihr euch darum bemüht, den Anschluss an diese Strukturen zu schaffen und nicht mit dem Anspruch an die Sache ran geht, das gesamte (Fahr-)Rad selbst neu zu erfinden. Denn zum Einen gibt es bereits Erfahrungen in Bezug auf MobilitätsWende-Aktivitäten, welche sich in dieser "neuen" Bewegung sicherlich gegenseitig bereichern können und zum Anderen braucht es auch für neue (bundesweite) Aktionen die vorhandenen Basisgruppen, um Menschen zu erreichen, die bisher noch nicht in unserer Klimagerechtigkeits-Bubble sind.
Dieses feedback war mir wichtig, einfach mal loszuwerden.

Die Apparate interessierten sich nicht für die Kritik. Sich selbst zur Spitze und zu den Begründer*innen der Verkehrswendebewegung zu erklären, was ja von Anfang an der Sinn des Ganzen. Auch nach den Aktionen zur IAA änderte sich das nicht. In einem Thesenpapier zur Auswertung der IAA und zur Weiterarbeit (Mail am 23.10.2019) stand: "Die Proteste gegen die diesjährige IAA waren ein mehr als gelungener Auftakt für die Anti-Auto Bewegung in Deutschland." Die Legende, dass die Anti-Auto-Bewegung also erst durch Sand im Getriebe geschaffen wurde ("Auftakt") wird aufrecht erhalten. Selbst spektakuläre Aktionen wie blockVW, die zeitlich eindeutig davor lagen, werden negiert. Das es kein Versehen war, ist klar, denn die Kritiker*innen am Aufbau dieser Lüge wurden ja bewusst aus der Kampagne rausgeworfen - genau weil sie diese Propagandalüge kritisierten.

Inhalte: Maximale Akzeptanz in der Breite statt klare Positionen
Auffällig war die Kombination ganz unterschiedlicher Inhalte in einem Bündnis, dass im Kern von einer Seilschaft von Funktionär*innen zusammengehalten wurde. Immer wieder beschwerten sich Teile dieser Apparate, dass zu wenig Menschen aktiv seien. Tatsächlich aber wollten sie in der hierarchischen Spitze unter sich bleiben und suchten nur Personen, die Arbeitsaufträge ausführten. Die wichtigen Entscheidungen wurden in kleinen, intransparenten Runden getroffen. Dazu gehörten die Inhalte samt der Koordinierung zwischen Teilen der Aktion, die so gar nicht zusammen passten.
Da war zum einen "Sand im Getriebe" mit der Position, Autos zu verdrängen. Den anderen großen Part spielte unter dem Logo "#aussteigen" eine Kooperation verschiedener NGOs von Umweltverbänden bis Campact. Die hatten in ihre Forderungen einfach alles reingeschrieben, was irgendwie schon mal genannt war. Sie wollten erkennbar alle einschließen und niemensch wehzutun. Neben Fahrrad und ÖPNV stand da auch:
Besitzen Autos effiziente Elektroantriebe, werden sie zur Ergänzung, besonders wenn sie geteilt werden. ... ab 2025 nur noch moderne Autos mit alternativen Antrieben zuzulassen.

Aus der Forderungsliste im offiziellen Aufruf
Sofortiger Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ...
Effiziente Elektromobilität statt dicker E-SUVs


Aus der FR am 9.9.2019
Die Demo zur IAA 2019 richte sich aber nicht gegen Autofahrer oder Autos, sagt Buthe. „Wir sind keine Fanatiker. Das Auto wird es noch lange geben. Nur haben sich in den letzten 50 Jahren zu viele Autos mit Verbrennungsmotor ausgebreitet. Diese überbordende Menge muss reduziert werden.“ (Buthe wird als Kopf der Fahrraddemos bezeichnet)

Aus "BUND fordert Autoindustrie zu Abkehr vom SUV auf", in: Handelsblatt vom 7.9.2019
Der Wechsel zur Elektromobilität mit nachhaltig produziertem Strom sei prinzipiell schon der richtige Weg, meinte Stolper.

So viel anders klingen verkehrspolitische Forderungen der CDU auch nicht:
Aus "Innovativ, nachhaltig, digital und optimistisch. Wie wir in der Klimapolitik die Kurve kriegen", auf der Internetseite der CDU
Politik ... für die vernetzte Mobilität der Zukunft mit attraktiver Bahn und Öko-Autos, die hier gebaut, gefahren und in alle Welt exportiert werden. Dazu gehören Anreize für sparsame Fahrzeuge und die Infrastruktur dafür genauso wie ein massiver Ausbau eines günstigen ÖPNV für alle – gerade auch im ländlichen Raum. ... zur Nachhaltigkeit gehört die „schwarze Null“ als Beitrag zur Generationengerechtigkeit genauso wie die „grüne Null“ im Sinne von Klimaneutralität.

Ernst-Christoph Stolper ist tellvertretender Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und (!) bei Bündnis 90/Die Grünen). Immerhin war er von Mai 2011 bis Juni 2012 sogar Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz. Er meint, der "Wechsel zur Elektromobilität" sei "der richtige Weg".

Für das Aktionswochenende war das ziemlich egal, denn nicht Inhalte, sondern Bilder und die Logos der beteiligten Gruppen rückten in den Mittelpunkt. Das war geplant und fand sich so auch in den Konzeptpapieren und Protokollen der Planungstreffen. Es sollten starke Bilder entstehen - und die ganze Sache sollte so wirken, als wäre an diesen Tagen die Verkehrswende-Bewegung entstanden.

Harmlos sein bei gleichzeitiger Selbstinszenierung als radikale Strömung
Nach außen dominierten bunte Bilder bei inhaltlicher Beliebigkeit. Nach innen brauchte es hingegen des Flairs entschlossener Kampfkraft und Radikalität. Ohne solchen Flair des Aufstandes sind große Massenevents heutzutage kaum möglich. Bei drohender Entlarvung solcher PR-Tricks wurden die Positionen hartnäckig verteidigt.

Beispiel: Lüge, seit jeher für radikale Positionen einzutreten
In einer Mail am 5.3.2019 behauptete RLS-Tadzio M. zudem:
... eines weiß ich noch sehr genau: dass die Klimagerechtigkeitsbewegung, der ich mich zugehörig fühlte, ihren Anfang (1995 - 2004) in der Kritik der sog. marktbasierten Mechanismen zur Lösung des Klimawandels hatte: Emissionshandel, Offsetting, im allgemeinen den 'grünen Kapitalismus'. Kollektiv nannten wir diese die 'falschen Lösungen', und es war im Kampf gegen diese UND den fossilen Kapitalismus, in dem sich unser(e) Bewegung(sflügel) konstituerte.

Darauf die Entgegnung von Jörg B. (Gießen autofrei usw.):
Das ist historisch falsch. Bei der entscheidenden Sitzung zum Kyoto-Mechanismus haben ALLE deutschen Parteien, ALLE deutschen Umwelt-NGOs, ALLE deutschen linken und Ökozeitungen und auch bekanntere Autoren wie Wolfgang Pomrehn FÜR den Emissionshandel gestritten. Zentrale Aktion war u.a. das Rettungsboot für Kyoto (Initiator: BUNDjugend, aber es machten viele andere mit).
Die Kritiker*innen des Emissionshandels (wenige Öko-Anarchist*innen aus D-Land ... das Land ist einfach Funktionärs-Country, aber einige z.B. aus den Niederlanden, Groß Britannien usw.) wurden auf übelste diffamiert, z.B. von Wolfgang Pomrehn in der Jungen Welt als von George Bush bezahlt.
Daher: Traut nicht den Sprüchen der Funktionär*innen. Die hänge ihre Fahnen in den Wind und vereinnahmen Bewegungen, wie es gerade in Verbands- oder Parteiinteressen passt.
Tut mir leid. Aber die schöne rosa Bewegungswelt existiert nicht.


Tadzio wiederum dazu:
meine Perspektive ist eine internationale, Deine wohl eine arg deutsche. ...
Du hast recht, die meisten deutschen NGOs waren für den Emissionshandel. Aber wir nicht. ...
So once again: don't feed the troll ;)


Antwort von Jörg:
Weil ich es immer wichtig finde, aufzuzeigen, dass Bewegungs- und Parteieliten erstens ständig zu Anpassung neigen und zweitens hinterher zwecks Verschleierung die Geschichte umschreiben, hier ein Zitat von unserer Seite über deutsche NGOs und Parteien zum Kyoto-Protokoll (wo ja der Emissionshandel zentraler Baustein ist):
PDS-Presseinfo zu einem Antrag im Bundestag, 14/65760
... sei auszuloten, wie sich bei einer Verweigerungshaltung der USA eine schnellstmögliche Ratifizierung des Kyoto-Protokolls auch ohne die Vereinigten Staaten erzielen lasse.
Siehe viele solcher erschreckender Zitate auf www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=45&p=10475
Die Frage ist, was Tadzio mit "Aber wir nicht" meint. Er ist bei der Linken (damals PDS)-Parteistiftung angestellt und handelt für die. Und die haben für den Emissionshandel gestritten.

Damit war nicht nur belegt, dass zumindest die Linke in der Vergangenheit eher schwache Positionen vertrat, sondern auch, dass Tadzio schlicht gelogen hatte. Wie üblich, wird bei einem solchen Stand der Debatte einfach mal abgelenkt, damit niemensch die Entlarvung bemerkt. Diese Aufgabe übernahm Rolf E., aktiv in einer autoritär-anarchistischen Gruppe, die auch früher, z.B. im Zusammenhang mit dem Frankfurter-Flughafen-Widerstand, stets dominant auftrat und für Ausgrenzungen eintrat.

Dass die PDS anno tobak (oder auch noch heute) diesen oder jenen Scheiß-Beschluss gefasst hat, das ist doch geschenkt. Wer kann das im Ernst bestreiten? Aber: Bringen die Vorschläge von Tadzio der Bewegung jetzt was - oder führen sie in die Irre: das allein interessiert - jedenfalls mich.

Entgegnung von Jörg:
Tadzio behauptet (übrigens in einer Mail NUR von ihm - das zur Klarstellung), dass 2001 "wir" nicht für das Kyoto-Protokoll waren. Dann weise ich nach, dass das zumindest für den hierarchischen Haufen, in dem er jetzt agiert, nicht stimmt. Und dann sagst du, ich solle doch mal einen Nachweis für die Zeit heute bringen? Obwohl Tadzios Falschangabe sich ja auf 2001 bezog? Was sind das für abenteuerliche Versuche, das Thema zu wechseln, damit nicht auffällt, dass es einen roten Faden der ständigen Anpassung und Hegemonie gibt?

Wieder dumm gelaufen. Wenn weder Tricks noch Argumente bleiben, greifen die Apparate zum klassischen Mittel, der Ausgrenzung. Die smarte, verschleierte Herrschaft hat versagt - dann muss es doch der Knüppel. Wie bei Staat und Polizei ...

Nochmal Rolf:
Vielleicht findet du einen anderen Verteiler, um deinen Kampf gegen "hierarchische Haufen", "ständige Anpassung" und "Hegemonie" fortzuführen.

Warum nehmen die Mitmachenden das alles so hin?
Aus einem Interview mit Jörg Bergstedt (aus dem Buch "Gespräche über Organisierung", SeitenHieb-Verlag, 2019)
Warum gibt kaum Widerstand derer dagegen, die vereinnahmt werden?
Weil diese die beschriebenen Formen moderner Herrschaft als angenehm empfunden. Das Angenehme rührt dabei aus der Gewohnheit. Wer jahrelang mit dem Navi Rad oder Auto fährt, wird nervös, wenn das GPS-Signal verloren geht. Wer alle zehn Minuten auf dem Smartphone überprüft, ob das digital verbundene, soziale Umfeld noch existiert, wird nervös, wenn kein Empfang da ist. Wer viele Jahre des Lebens mit festen Stundenplänen und verschulter Unibildung entmündigt wird, kommt mit OpenSpace-Verfahren nicht mehr klar. Die funktionieren auch tatsächlich nicht mehr. Kongresse, Camps usw. in politischer Bewegung sind eher wie Schule am Wochenende. Die OpenSpace-Bereiche, die verschämt am Rande immer mal zu finden sind, vertrocknen oder werden genutzt von Referentis, die den Anmeldeschluss für ihre Workshops verpasst haben. Große Aktionen werden mit Trainings vorbereitet, in denen die Teilnehmis minutiös auf vorgegebene Verhaltensweisen zugerichtet werden. Sie agieren damit in einem Rahmen, der auch ihr sonstiges Leben immer geprägt hat. Daher fühlen sie sich wohl. Immer und immer wieder laufen Proteste als geschlossene Latschdemos oder in sogenannten Fingern. Als radikal gilt es schon, sich irgendwo hinzusetzen. Manchmal ist das auch wirklich störend, d.h. manch eine Blockade ist durchaus zielgenau. Aber die interne Organisierung entmündigt vollständig – und das Gefühl des Rebellischen resultiert nur noch aus den markigen Worten der Anführis verbunden mit dem Mangel an Phantasie, dass es auch ganz anders sein könnte, sowohl von der Organisierung wie auch von der Aktionsform her. Die Finger sind ein stupides Hinterher-Latschen hinter der Spitze des Fingers. Offensichtlich trifft genau das die Erwartung. Wenn Menschen hingegen eigene Ideen entwickeln sollen, merkst du schnell, wie unangenehm den meisten das ist. Die moderne Gesellschaft arbeitet immer weniger mit direkter Gewalt, sondern mit freundlichen Angeboten, im Strom mitzuschwimmen. Politische Bewegung kopiert das – und hat damit Erfolg, weil die Menschen so drauf sind. Die sind das nicht von Natur aus, sondern aufgrund der sozialen Verhältnisse. Wer entmündigt wurde, wünscht Geborgenheit durch Führung – auch in der politischen Aktion. Oder allgemeiner: Das Sein schafft das Bewusstsein. Campact, Ende Gelände & Co. sind Teil dieses Seins.

Aber es wäre doch möglich, einfach daneben etwas Eigenes aufzubauen, also ein anderes Sein zu schaffen.
Grundsätzlich ja. Aber erstens herrschen die gesellschaftlichen Verhältnisse da auch. Du findest also nur wenig Menschen, die einen klaren Willen zur Selbstorganisierung haben, also nach Handlungsmöglichkeiten jenseits der Einbettung in Fremdorientierung und Behütung suchen. Zum anderen sind die Apparate großer Player nimmersatt in ihrem Ringen um Hegemonie. Das läuft wie im Kapitalismus. Dort genügt es auch nicht, den eigenen Laden zu beherrschen und die dort tätigen Menschen zu unterwerfen – am besten eben ohne dass die das merken. Firmen suchen danach, sich auszudehnen und andere zu verdrängen. Das machen die hegemonialen NGOs und Bewegungsagenturen auch. Ende Gelände baut sich selbst als zentraler Player im Klimaschutz auf. Letztens behaupteten die zu einer Flächenbesetzung in einer Stadt, das sei Ende Gelände in die Städte tragen. Damit inszenieren sie sich selbst als Ursprung der Idee von Flächenbesetzungen – welch ein Affront gegenüber Hüttendörfern, Baum- und Waldbesetzungen, dem Kampf gegen Genversuchsfeldern, Projekten wie Urban Gardening oder widerständigen Wagendörfern, die alle vor Ende Gelände existierten. Das Motto "Jetzt beginnt die Verkehrswende" war ein übler Affront gegen viele Basisgruppen und Netzwerke – noch dazu eine Unverschämtheit, wenn mensch bedenkt, dass die gleichen Player vorher Menschen von ihren Mailinglisten geschmissen oder Vernetzungstreffen blockiert hatten, damit nicht auffällt, dass sie eben nicht die ersten waren, sondern eher diejenigen, die mit üblen Methoden die von anderen geschaffene Welle jetzt allein reiten wollten.

Was schlägst du vor im Umgang mit solchen Fürstentümern in politischer Bewegung?
Appelle und Kritik an Eliten und Mitläufis sind wichtig, werden aber wenig bewirken. Zeitgeist, Denkkultur oder Diskurs – nenne es wie du willst, aber es ist der mächtigste Gegner überhaupt, weil er unsichtbarer ist als formale Gewalt. Andererseits erschießt er dich nicht, wenn du gegen ihn antrittst. Du kannst also agieren, bist allerdings in einem Fluss voller toter Fische, die denken, dass die die Richtung gewählt haben, in die sie sich treiben lassen. Und die sauer sind, wenn du ihnen das sagst.
Ich habe mich Jahrzehnte in der Kritik an Hierarchien aufgerieben und, zusammen mit anderen, bei vielen Aktionen, Kampagnen und Veranstaltungen mit Methoden experimentiert. Das HierarchNIE-Projekt ist ein Ausdruck dieser ganzen Ideen, und es ist ein deutliches Zeichen, dass wir schon lange keine Ergänzungen mehr einbauen mussten, weil in der politischen Bewegung kaum noch daran gewerkelt wird. Im Gegenteil nehme ich einen Rollback zu Hierarchie und Fremdbestimmung wahr, wenn auch in moderner Form.
Zu jederm Einzelnen kann ich nur sagen: Organisiere dich, schaffe dir in jedem Fall ein Standbein, bei dem du nicht von Apparaten abhängig bist. Übe einen herrschaftskritischen Blick und sei skeptisch auch den Verhältnissen in den eigenen sozialen Blasen oder Strukturen gegenüber. Einfach: Mach es anders, experimentiere, suche das Risiko, wenn auch nicht blind. Du kannst nie vorher wissen, an welchem Punkt dann Wirkung entsteht. Aber du kannst dafür sorgen, dass du nicht immer nur mitläufst oder ausgetretenen Pfaden folgst. Wenn du aus der Fremdorientierung herausgetreten bist, kannst du auch mal eine zentral gesteuerte Großaktion mitmachen. Du wirst dann deine Distanz wahren, aber die Sache unterstützen können.

Trägst du Hoffnung in dir, dass davon etwas in Erfüllung geht?
Wer kennt schon die Zukunft. Lange gab es unter jüngeren Menschen kaum Interesse an politischer Gestaltung. Dann waren es ganz plötzlich Hunderttausende allein Deutschland – viele Millionen weltweit. Etliche liefen nur mit und es bestand die Gefahr, dass alles nur eine Welle werden würde. Im Herbst 2019 nahm aber die Zahl an Aktionen zu, die aus kleineren Kreisen ohne zentrale Steuerung entstanden: Besetzungen, Blockaden, kleine Störungen. Das wäre ja schön, wenn aus den großen Empörungswellen immer mehr Menschen ihre eigenen Projekte entwickeln. Campact, Ende Gelände und so können gerne an Bedeutung verlieren oder ganz auf dem Müllhaufen einer wenig emanzipatorischen Organisierungsform verschwinden, wenn es stattdessen selbstbestimmt an vielen Orten sprießt. Mal sehen, wie die Herrschenden auf ihrem Thron von Kapitalbesitz und Gewaltmonopol dann damit umgehen. Umarmungstaktik ist dann hoffentlich nicht mehr so wirksam.

Das ist doch ein schönes Schlusswort zum Blick auf aktuelle Bewegungskulturen. Oder ist dir noch was ganz wichtig?
Ja, ich würde das eine nochmal betonen: Ich kritisiere hier die entmündigende oder Entmündigung aufrechterhaltende Art der Organisierung von Aktionen. Das sagt nicht, dass auch die Aktionsform selbst blöd ist. Wenn Ende Gelände einen Tagebau erstürmt, finde ich das mutig und ganz klar eine direkte Aktion. Ich meine nur, das wäre auch gegangen, ohne die Menschen zu Rädchen im vorgedachten System herabzuwürdigen, sondern sie stattdessen zu ermutigen, selbst zu denken, das Ganze mit kreativen Sachen zu ergänzen und vor allem danach etwas Eigenes zu starten.

Nach der Aktion: Selbstabfeiern ohne Maßstab
Die IAA wurde nicht blockiert. Ein einziger Eingang war dicht - und zwar schon, bevor sich die harmlosen Sitzblockierer*innen vor die bereits vorhandene Absperrung setzten und damit Fotos produzieren konnten, auf denen es so wirkte, als hätten sie den Eingang dicht gemacht. Ein zweiter Eingang wurde zwar mit den üblichen Fingern (die völlig überflüssig waren, weil die Polizei gar nicht daran dachte, die harmlosen Aktivistis aufzuhalten) angelaufen, aber per üblichem Konsensentscheid (die Ängstlichen/Angepasstesten bestimmen, was alle machen müssen) keine Blockade errichtet. Das war's. Mit insgesamt 1000 Beteiligten (Zahl aus der Chefetage der Aktion) waren auch deutlich weniger beteiligt als erhofft.

Auf faz.net am 15.9.2019
Es wird ein wenig gerangelt, viel grimmig geguckt, aber das war es dann auch. Die Aktion wirkt mehr wie ein Sonntagshappening als ein radikaler Protest gegen Autos. ...
In drei Gruppen sind sie am frühen Morgen aufgebrochen, von vorher vereinbarten Treffpunkten. Der „blaue Finger“ ist zum westlichen Portal aufgebrochen, der „rote Finger“ mit 200 Leuten fährt den ganzen Tag lang mit dem Fahrrad um das Messegelände und die Innenstadt, um den Straßenverkehr zu stören und spontane Blockaden zu inszenieren. Und der „grüne Finger“ hat sich vor dem Haupteingang postiert. Zudem haben ein paar Kletterer sich vom Verkehrszeichen am Katharinenkreisel abgeseilt, einem Zubringer zur Messe. ...
Es soll friedlich bleiben. Und das bleibt es auch, abgehalten wird keiner, die Messe zu betreten. Zumal es mehr Eingänge gibt, als von den Demonstranten blockiert werden.

In der schlagzeilen- und spendengeldgeilen Selbstdarstellung aber klingt das ganz anders:
Aus "Aktivist*innen blockeren Automobil-Ausstellung", in: Contraste 10/2019 (S. 1)
Das Bündnis "Sand im Getriebe" äußerte sich sehr zufrieden mit dem Verlauf der Aktionen ... Sprecherin Marie Klee: "1.000 Menschen haben sich friedlich und besonnen mit ihren Körpern der mächtigen Autoindustrie in den Weg gestellt. Das hat alle unsere Erwartungen übertroffen."

Wie geht's weiter? Ignoranz hält an
Von den großen Medienbericht beflügelt meldeten sich Menschen aus der Opel-Stadt Eisenach und schlugen vor, dort eine weitere Aktion zu machen. Der Wortlaut: "ich wollte anmerken, dass die Produktion im Opelwerk Eisenach angelaufen ist! Dort wird zu 100% nur ein Auto gebaut der SUV Grandland! Könnten wir nicht vor dem Werkstor eine Demonstration organisieren?" Doch selbstbestimmte Bewegung und Vorschläge von unten zählen nicht. Intern stimmten Sand-im-Getriebe-Obere ab, die dortige Anfrage mit vorgeschobenen Gründen zu vertrösten.

Aus dem Vorschlag von Janna Aljets zum Umgang mit der Anfrage (Mail auf der von ihr beherrschten Autofrei-Liste am 16.9.2019)
Eine Demo vor dem Werk kommt da sicher nicht gut an. Ist keine einfache Region dort, mit NPD in den Stadträten, viel Arbeitslosigkeit. Vielleicht einfach freundlich zurückschreiben, dass wir uns erstmal von unserer Aktion erholen und dann in ein paar Wochen überlegen werden, wie es mit unserem Protest weitergeht.

Dass die Gründe vorgeschoben waren, ist aus dem internen Mailwechsel deutlich zu erkennen. So bleibt ein Kontinuum: Menschen sind nur als willfährige Schafe in der geführten Herde erwünscht.

Im Thesenpapier zur Auswertung der IAA und zur Weiterarbeit (Mail am 23.10.2019) fanden sich weitere, sehr eindeutige Hinweise, dass es weiter in Richtung Hierarchie und Anbiederung an Eliten gehen wird. Basisstrukturen dürfen bei einigen Aktionen gerne die Drecksarbeit vor Ort machen, um den Apparaten einen guten Rahmen für ihre medienorientierten Auftritte zu schaffen. Als Kooperationspartner fallen sie raus - dass sollen weiterhin nur die "relevanten NGOs" sein. Aufgezählt werden im Thesenpapier dabei drei extrem spendenorientierte, hierarchische, fast konzernhafte NGOs, die zudem alle drei nicht gegen Autos, sondern nur gegen Verbrennungsmotoren sind - manche nicht einmal das vollständig. Die Anti-Auto-Haltung von Janne Aljets, Tadzio Müller und all den Führer*innen ist also auch nur vorgeschoben. Für die eigenen und die Parteivorteile werden alle Inhalte sofort aufgegeben. Parteipolitiker*innen halt ...

Aus dem Thesenpapier vom 23.10.2019
Wir sollten den strategischen Austausch mit relevanten NGOs verstetigen ... (Campact, Greenpeace, DUH etc.) ...
Sand im Getriebe goes Europe?! ...
Wir müssen den Orgaprozess von Sand im Getriebe auf stabilere Füße stellen. Der Orgaprozess für die erste Aktion von Sand im Getriebe war extrem prekär aufgestellt. Ein großes Problem bestand insbesondere darin, dass der Prozess fast komplett von Einzelpersonen getragen wurde, davon nur wenige mit Aktionserfahrung. Um auch nur einen Bruchteil der oben aufgeführten Ideen in einer Weise umsetzen zu können, die für alle Beteiligten nachhaltig ist, müssen wir unser Bündnis deshalb auf stabilere Füße stellen. Für Aktionen bei den Hauptversammlungen könnte eine gute Strategie darin bestehen, den Prozess zumindest teilweise stärker auf lokale Ebene zu verlagern.


Aus einem weiteren Strategiepapier zur gleichen Debatte (Mail am 26.10.2019)
Eine Bewegung mit dem Fokus ‘gegen e-Autos’ läuft Gefahr, sich in Details zu verlieren und den ohnehin dominanten Technik-fixierten Diskurs zu verstärken.

Das Protokoll des Auswertungstreffens in Frankfurt am 26. und 27.10.2019 zeigt ebenfalls nochmals das Denken des auf Hegemonie ausgerichteten neuen Players und die gleiche Orientierung für die Zukunft. Ganz offen findet sich die Erfolgsmeldung "Sand im Getriebe als Akteur*in gesetzt, was offensichtlich durchgehend ein zentrales Ziel war. "Es war ein großer Erfolg" darf auch nicht fehlen. Allerdings zeigt die Auswertung auch die Folgen der Ausgrenzung bzw. der Negation vorhandener Verkehrswendegruppen durch die Apparate: "Kaum/Keine aktionserfahrenen Gruppen dabei. Wenig Menschen mit viel Erfahrung". Dass solche auch gezielt aus dem Prozess ausgeschlossen wurde, wird nicht erwähnt und dürfte den meisten Mitmachenden auch unbekannt sein. Immerhin wies eine Person auf deren Existenz hin und appellierte: "viele Gruppen machen schon lange Verkehrswendearbeit - achtsam bleiben das nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Wertschätzend sein deren jahrelanger Arbeit gegenüber" - eine sinnlos Anregung, denn genau das war von Beginn an nicht gewollt. Manche wunderten sich trotzdem: "Wo waren die lokalen Verkehrsinitiativen auf unserer Aktion?" Dennoch dominierte der Glaube, innovativ gewesen zu sein (das glaubt mensch immer, wenn gar nicht hingeguckt wird, was es schon gibt: "Unsere Botschaften waren für Teile der Verkehrsbewegung inspirierend, da wir einen größeren Bogen aufgemacht haben im Vergleich zu zähen lokalen Diskussionen um Poller und Radwege" - eine fraglos beeindruckende Unverschämtheit gegenüber vielen Gruppen mit radikalen Positionen und Verkehrswendekonzepten, für die sich die abgehobene Sand-im-Getriebe-Szene aber nie interessiert oder sie sogar aus dem eigenen Zusammenhang rausgeworfen hat.
Kritik gab es auch an den Hierarchien: "Prozess stark auf Einzelpersonen fokussiert" - aber auch das war gewollt. Und wird sich festigen: "Wir sollten eine Vereinsstruktur aufstellen" und "SiG-Strukturen verstetigen". Vereinnahmung von Bewegung könnte dabei zum Prinzip werden: "Mögliche Idee: SiG als Struktur, die übergreifende Pressearbeit für verschiedene lokal organisierte Aktionen leistet." Radikal wirken und harmlos sein - auch das wurde als positiv bewertet. "„Friedlich“ im Aktionskonsens war für die Pressearbeit hilfreich".

Aus dem Entwurf für eine Einladung zum ersten großen Treffen in 2020, per Mail am 19.12.2019
Gemeinsam mit euch haben wir für einen Tag die IAA blockiert, sind den Auto-Konzernen ganz schön auf die Pelle gerückt, und haben das Thema radikale Mobilitätswende auf die Agenda der Klimagerechtigkeitsbewegungen gebracht.
Wir sind immer noch überwältigt davon, wie viele Menschen sich uns angeschlossen haben, und was wir gemeinsam erreichen konnten. ...
Ihr habt noch keine Gruppe? Kein Problem! Kommt gern vorbei und schließt euch den uns an!

Weitere Kampagnen

Wald statt Asphalt
Es war der Slogan der Waldbesetzung im Dannenröder Forst, stand auf vielen Transpi, Fahnen, Flyern und war der Name der Internetseite. Als sich im Sommerhalbjahr 2020 die Lage zuspitzte und die Besetzung bundesweit in die Medien drang, schalteten sich einige Menschen in und gründeten ein "Bündnis" mit genau diesem Namen. Sie kopierten damit die Strategie von Ende Gelände, einen populären Slogan zu ihrem Organisationsnamen zu machen und ihn als Label zu setzen. Durch Pressekonferenz mit verschiedenen Vertreter*innen (sogar der Waldbesetzung, für die eigentlich niemensch sprechen konnte - aber das wurde einfach gemacht) schaffte es WsA sogar, sich wie ein Dachverband zu inszenieren und eine mediale Führungsposition zu ergattern. Nach der Räumund des "Danni" machten sie als solche weiter - vor allem gegenüber Medien, durch Kreation vieler Sharepics, Flyer und Plakate mit ihrem Logo und das Unterbringen aller möglichen Aktionen auf ihrer Internetseite. Diese wurde von immer mehr Gruppen als Plattform akzeptiert, war es doch bequem, sich von den WsA-Leuten auf die vielbeachtete Internetseite einbauen zu lassen.
Ende 2021 versuchte WsA dann auch, örtliche Gruppen unter ihr Label zu setzen.

Aus der WaldstattAsphalt-Internetseite
Unser Ziel ist es ein möglichst breites Ortsgruppennetzwerk zu gründen. ... Wenn ihr mögt, könnt ihr auch gerne unser neues Soli-Gruppen-Logo auf Eurer Website platzieren. ... Wenn genug Gruppen unserem Aufruf folgen, werden wir im nächsten Schritt eine Liste von WsA-Soligruppen auf unserer Website veröffentlichen.

Degrowth
Degrowth und die Abneigung gegen Aktionsworkshops

Aus einem Text auf der Degrowth-Internetseite
Dabei entstehen auch neue Konzepte und Stile von Politik. Politik manifestiert sich heute weniger in Theorien, Verlautbarungen, Forderungen und utopischen Formulierungen, sondern in den neu entstehenden Räumen selbst sowie in dem dort stattfindenden transformativen Handeln: im Gärtnern, Kochen, Lebensmittelretten, Machen, Reparieren, Umbauen, Wiederverwerten, Öffnen. Der neue Stil des Politischen besteht darin, die Welt zu reparieren, also praktisch zu transformieren. Nicht mehr Kritik ist der dominierende Modus der Resonanz auf das, was anders sein sollte, sondern Diagnose des Problems, Ideen zur Behebung und praktische Umsetzung – und das alles nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen, mit vielen anderen. Man fühlt sich zuständig und „übernimmt“.

Kohle ersetzen
Text folgt ...

Hanna Poddig über Kohle ersetzen, in: Klimakämpfe (2019, Unrast-Verlag, S. 91f)
Im Gegensatz zu Ende Gelände geht Kohle erSetzen nicht in die Gruben, sondern blockiert Zufahrtstraßen mit Sitzblockaden. Sie verstehen sich dabei explizit als gewaltfrei und legen Wert darauf, ein »buntes, lebensbejahendes Bild« zu vermitteln. Für viele der Beteiligten bedeutet der Anspruch, »Gesicht für den Kohleausstieg« zu zeigen auch, gegenüber der Polizei die eigenen Personalien anzugeben. Zwar ist das nicht ausformulierter Teil des Aktionskonsens, aber Konflikte darum haben in der Vergangenheit bereits Menschen davon abgehalten bei Kohle erSetzen mitzumachen und auf Seite der Organisierenden für Enttäuschungen gesorgt, weil Teilnehmende Personalien verweigern wollten. Insgesamt ist Kohle erSetzen damit sicherlich der Akteur, der am meisten Wert auf explizite Gewaltfreiheit legt, was an der ein oder anderen Stelle als unangenehm dogmatisch und überheblich wahrgenommen wurde.

Fazit

Erfunden haben die modernen Kampagnen Hierarchien, Zensur und Ausgrenzung nicht, sie haben die Methoden nur verfeinert, unsichtbarer, aber gleichzeitig wirksamer gemacht. Die klassischen NGOs, die sich schon seit Jahrzehnten zum Thema Mobilität engagieren, haben als zentralen Treff- und Vernetzungspunkt den BUVKO (Bundesverkehrskongress). Dort gab es 2019 ein explizites Vernetzungstreffen an einem Abend. Aktive aus der Vernetzung von Verkehrswende-Initiativen wurden zu dem Treffen nicht zugelassen. Offenbar waren und sind unabhängige Aktive in den verkrusteten Strukturen der Verbände mit ihren Staatsförderungen und Hauptamtlichenapparaten unerwünscht.

Viele haben versucht, die Aktionsform von Ende Gelände zu kopieren, darunter auch vollständig in der Retorte kleiner Kreise geborene Aktionsideen. Zum Teil waren die Akteur*innen noch sehr neu in politischer Bewegung, planten aber gleich ganz große Aktionen. Zunächst schien es so, dass diese Strategie aufgehen würde - zu Lasten selbstorganisierter, unberechenbarer und vielfältiger Aktionsformen. Netzwerke und Gruppen, die lieber solches machte oder förderten wie ZuckerimTank oder das Umfeld der Projektwerkstatt, erreichten nur wenig Menschen.
Das änderte sich allerdings im Verlauf des Jahres 2019. Immer mehr bildeten sich Aktionsgruppen, die fernab großer Label selbst aktiv wurden. So entstanden bis Oktober 2019 fünf parallele Waldbesetzungen gegen Straßenbauten, Gewerbegebiete, Hafenerweiterungen und weiterhin den Kohleabbau. Aktionsnetzwerke griffen VW an oder führten parallel an mehreren Orten Aktionen gegen fossile Energieverwendung durch. Gleichzeitig waren Aktionen wie Sand im Getriebe kleiner als geplant (auch wenn in den Erfolgsmeldungen etwas anderes behauptet wurde).

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Trend anhält und am Ende eine bunte, vernetzte oder nebeneinander existierende Vielfalt selbstorganisierter Aktionsgruppen entsteht, die die Apparate von Campact, Ende Gelände oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung einfach nicht mehr brauchen. Mögen die dann allein weitermachen oder absterben - wichtig ist anderes!

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